Musikgedächtnis

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In einer neuen Kolumne im Dabarsblog schauen wir auf die Medien, die zwar die meisten von uns kennen, aber die in Medienmagazinen meist nicht behandelt werden. In der ersten Folge blicken wir auf ein sehr persönliches Medium: Das Tagebuch.

Ach, war das ein schönes Abendessen in Weimar damals … Ja, wann damals? Schreiben Sie ein Tagebuch? Falls ja, und seien es nur wenige Wörter: Glück gehabt! Sie haben praktisch ein zweites Gedächtnis, vorausgesetzt, Sie haben kein Tagebuch verloren. Ich hingegen hab weitestgehend Pech: Hatte schon in sehr jungen Jahren kein Interesse daran und sah auch lange keinen Sinn darin eines zu schreiben. Schade, denn schon wenige Notizen hätten ausgereicht, um sich an ein Ereignis zu erinnern.
So kann ich beispielsweise in Richtung Haustüre gucken, und erinnere mich daran, dass ich bei Glatteis vor der Haustüre mit dem Rücken auf die Kante einer Stufe fiel. Gott sei Dank ohne jegliche Verletzung! Nur die Atemluft war auf einen Schlag aus der Lunge raus. Kam aber wieder. Gott sei Dank! Aber wann war das? Gute Frage! Könnte nicht einmal den Winter benennen. Mit einem Tagebuch hätte ich nun das Datum. So werde ich das genaue Datum nicht herausfinden können. Es war aber an einem Schultag vor der Oberstufe, weil ich in der Oberstufe täglich anwesend war. Also: Spätestens Anfang 2010. Weiß der Kuckuck wann genau. Immerhin erinnere ich mich an das Ereignis überhaupt noch. An andere, viel schönere Erlebnisse würde ich vielleicht gar nicht mehr denken, so ohne Tagebuch, hätte ich nicht eine andere Gedächtnisstütze. Und manchmal lässt sich sogar das Datum recherchieren.
Nicht so beim Sturz: So gab es in den Jahren bis 2010 so oft Glatteis, dass selbst eine Recherche ein einem Wetterarchiv nicht wirklich weiterhelfen würde. Manche Ereignisse lassen sich aber nachvollziehen und immer wieder in Erinnerung rufen, nämlich mithilfe eines Liedes! So verbinde ich mit dem Lied „A night like this“ von Caro Emerald eine Klassenfahrt nach Weimar! Warum? Ganz einfach: Ich hatte damals einen Ohrwurm von diesem Lied! Nur: Wie finde ich heraus, wann die Klassenfahrt stattfand? Ich könnte nur noch das Schuljahr benennen: 2010/11. Meine Begeisterung fürs Radio hilft mir aber: Ich erinnere mich, während der Reise im Radio auf MDR Info etwas über den Prozess gegen Jörg Kachelmann gehört zu haben. Außerdem erinnere ich mich noch, dass Atomkraft ein Thema war. Und so finde ich schnell raus: Ich war am 31. Mai 2011 auf Klassenfahrt und im Radio hörte ich vom Freispruch für Jörg Kachelmann. Ich weiß auch noch, dass ich tags zuvor in einem guten Restaurant essen ging. Dieses Restaurant wiederzufinden dauerte länger, da unsere Abizeitung die Lokalität zwar erwähnt, aber nicht ihren Namen.
Ein Tagebuch macht Erinnerungen, leichter. Besonders, wenn man ein Ereignis zeitlich einordnen will. Da irrt man leicht: So hätte ich spontan gesagt, die Fahrt wäre bereits im Herbst 2010 gewesen und nicht im Frühjahr 2011. Und so manch einzelnes Ereignis der Fahrt fällt mir auch jetzt erst zufällig beim Schreiben dieses Textes ein.
Hab übrigens noch mehr Songs als Tagebuchersatz: So erinnert mich zum Beispiel „Rumour has it“ von Adele an eine andere Klassenfahrt – nach Italien. Warum? Weil es damals sehr oft im italienischen Radio lief, während es in Deutschland längst aus der Hot-Rotation raus war. Oder „Umbrella“ von Rihanna. Ja, schon wieder Rihanna. Aber damals war das Lied passend: Wir hatten auf dem Schulsportplatz ein Fußballturnier und aus einem Lautsprecher lief Musik. Als es regnete lief „Umbrella“ („Regenschirm“). Wer hätte das gedacht? Bei dieser Gelegenheit möchte ich anmerken, dass es öfter vorkam, dass bei uns die Bundesjugendspiele aufgrund aufgrund starken Regens abgebrochen und an einem anderen Tag fortgeführt werden mussten. Wenn Starkregen, dann während der Bundesjugendspiele. Auch wieder einer dieser seltsamen Zufälle.

So hab ich immerhin einen kleinen Tagebuchersatz. Mich aktiv erinnern muss ich aber noch selbst. Und wer weiß wie viel ich in dreißig Jahren vergessen haben werde, aber hier noch nachlesen kann, auch dann, wenn mir die Songs aus meiner Playliste nix mehr sagen.

 

In Folge 2 schauen wir wieder in ein sehr persönliches Medium und besuchen dabei die Halle des Bergkönigs. Im Keller eines Gebäudes. Und wir regen uns über einen Politiker auf. Bis dann!

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