Wie verhältnismäßig sind Hausdurchsuchungen?

von

am

Kennen Sie die Berichte, in denen Opfer von Einbrüchen berichten, wie sie sich bei oder nach der Tat fühlen? Wie belastend es sein kann, dass fremde Menschen in die private Wohnung kommen und private Gegenstände wie Kleidung durchsuchen? Ich frage mich: Kann staatliches Handeln dieselben Gefühle auslösen? Und: Wie verhältnismäßig ist das Beschlagnahmen von Smartphones?

Ein Smartphone hat für viele Menschen heute eine große Bedeutung. Es ist nicht nur Telefon, sondern auch Telefonbuch, Briefkasten, Wecker und für manche auch Fahrschein und Geldbörse. Und, wie man neulich beim bundesweiten Probealarm gesehen hat, auch als wichtige Funktion zur Warnung vor Gefahren. Zudem ist es teilweise nur möglich, sich ins E-Mail-Konto oder andere Konten einzuloggen, wenn man zusätzlich zum Kennwort einen Code eingeben muss, den man auf das Handy geschickt bekommt. Diese sogenannte Zwei-Faktor-Authentifizierung ist mittlerweile sogar Pflicht, möchte man im Internet etwas per Kreditkarte bezahlen. Anders als noch vor einigen Jahren können Hausdurchsuchungen also große Folgen für die Betroffenen haben – für die, sollten sie die Beschuldigten sein, die Unschuldsvermutung gilt. Was kann also passieren, wenn bis zu einem Prozessende das Smartphone weggenommen wird?

In einem Beitrag der öffentlich-rechtlichen Reihe „reporter“ wird von einem Fall berichtet, bei dem bis zur Einstellung des Verfahrens nach eineinhalb Jahren das Smartphone beschlagnahmt blieb. Jedoch: Das Wegnehmen des Smartphones kann die Betroffenen von digital gepflegten Kontakten abschneiden und den Zugriff auf Konten wie das Mailkonto oder das Bankkonto erschweren. Vielleicht kommt man an das private Mailkonto auch gar nicht mehr heran wegen der zwei-Faktor-Authentifizierung? Gerade in der Pandemie, in der vieles nur digital ging, konnte man zeitweise nicht einfach zum nächsten Elektromarkt gehen, um sich dort ein neues Gerät zu kaufen. Können diese Nebenfolgen einer Beschlagnahmung aus Beweissicherungsgründen, in der heutigen, modernen Zeit noch verhältnismäßig sein?

Beschlagnahmung des Smartphones Standard?

Bei mir verstärkt sich zudem durch den bei „reporter“ geschilderten Fall und andere verschiedene Verfahren, die in Medien geschildert werden, der Eindruck, dass die Beschlagnahmung des Smartphones Standard sein könnte. Der Vorwurf in der „reporter“-Geschichte war übrigens eine Sachbeschädigung durch Sprühkreide.

Ich finde, dass hier dringend vom Gesetzgeber nachgebessert werden sollte. Meine Idee: Um eine schnelle Rückgabe des Smartphones zu ermöglichen und zusätzlich die Strafverfolgung sicherzustellen und zu beschleunigen, könnten im Land spezialisierte Zentren des LKA bzw. der Polizei eingerichtet werden, in denen die Beweissicherung sofort stattfinden kann. Anstatt erst nach Prozessende sollte das Smartphone bereits nach spätestens 48 Stunden zurückgegeben werden. Dies sollte genug Zeit sein für Transport und Beweissicherung (oder der Feststellung, dass aufgrund von möglicherweise eingesetzter Verschlüsselung keine Daten leicht lesbar sind).

Wie wirkt sich eine Durchsuchung aus?

Aber wie sieht es mit Hausdurchsuchungen allgemein aus? Dazu zunächst ein gedanklicher Sprung von legalen zu illegalen Durchsuchungen: den Wohnungseinbrüchen. In Berichten darüber kann man lesen, wie belastend es für die Opfer dieser Taten sein kann, wenn unerwartet fremde Menschen in die eigene private Wohnung kommen und viele persönliche Dinge durchsuchen. Das kann das auch sehr private Dinge wie Unterwäsche umfassen. Ich habe mir schon länger die Frage gestellt: Warum sollte es bei Betroffenen einer Durchsuchung der Wohnung bei den psychischen Auswirkungen einen Unterschied machen, ob die Wohnung im staatlichen Auftrag oder von Straftätern durchsucht wird?

Bei der Betroffenen einer behördlichen Hausdurchsuchung, die im „reporter“-Beitrag zu Wort kommt, wurde nach der Durchsuchung eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Ich selbst möchte hier weder behaupten, dass die Ursache dafür im Polizeieinsatz liegt noch, dass sie nicht darin liegt. Ich kann die Situation anhand der Informationen im Film nicht vollständig und objektiv beurteilen, aber möchte darauf hinweisen, dass die posttraumatische Belastungsstörung im Beitrag der öffentlich-rechtlichen Sendereihe explizit erwähnt wird.

Grundrechte sollen den Bürgern dienen

Grundrechte muss man als Abwehrrechte verstehen. So heißt es beispielsweise bei Horst Pötzsch:

„Grundrechte […] sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat“

Horst Pötzsch – Quelle: https://www.bpb.de/themen/politisches-system/deutsche-demokratie/39294/grundrechte/

Und das sollte uns dazu bringen zu überlegen, wie stark das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung sein sollte.

In Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes heißt es zunächst:

„Die Wohnung ist unverletzlich.“

Art. 13 Abs. 1 GG

Bereits in der Urfassung des Grundgesetzes von 1949 gab es weitere Absätze in diesem Artikel, um unter anderem Durchsuchungen zu regeln. Beinhaltete der ursprüngliche Artikel insgesamt drei Absätze, so hat die neueste Fassung bereits sieben. Dabei zeigt auch das Beispiel aus dem „reporter“-Beitrag für mich, dass wir nicht mehr, sondern weniger Ausnahmen vom Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung brauchen. Klar ist: Es gibt Situationen, in denen muss es möglich sein, in eine Wohnung zu gelangen. Beispielsweise, wenn ein Mensch in Gefahr oder eingesperrt ist. Aber eine Durchsuchung wegen des Vorwurfes der Sachbeschädigung mit Sprühkreide?

Wie sinnvoll ist eine Durchsuchung, wenn man nicht ausschließen kann, dass der Einsatz psychische Folgen haben kann? Oder die Folge, dass jemand den Zugriff auf das Mailkonto – und damit möglicherweise auf viel mehr Konten im Internet – zumindest vorübergehend verlieren könnte, beispielsweise durch vergessene Passwörter, dass sich dann ohne Zugriff auf das Mailkonto nicht mehr zurücksetzen lässt.

Funktioniert der Rechtsstaat auch anders?

Nicht nur die Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahmung eines Smartphones sollte dringend überprüft werden, sondern auch, ob und wann Hausdurchsuchungen noch erlaubt sein sollten oder ob es nicht besser wäre, das Grundrecht aus Artikel 13 GG zu stärken. Eine Fragestellung, die geprüft werden sollte ist: Ist der Rechtsstaat auch völlig ohne Hausdurchsuchungen funktionsfähig? Überwiegen bei den Durchsuchungen Vorteile oder Nachteile? Nochmal zur Beachtung: Grundrechte sollen Abwehrrechte sein!

Was man zumindest prüfen sollte, ist die Verantwortung bei Durchsuchungen. Allgemein ging der Trend in den vergangenen beiden Legislaturperioden hin zu einem volleren Strafgesetzbuch. Es kamen einige neue Vorschriften für die Bürger hinzu. Aber was ist mit der Verantwortung von staatlichen Stellen und den Menschen, die für diese arbeiten? Wenn bei Menschen eine Durchsuchung stattgefunden hat, aber das Verfahren später eingestellt wird oder es einen Freispruch gibt, dann sollten meiner Meinung nach der Richter, der eine Durchsuchung beschlossen hat und die Polizisten, die bei dieser Durchsuchung beteiligt waren, ihren Dienst nie wieder ausüben dürfen.

in Kategorie(n):

Stichwörter: