Zeit für Jahresrückblicke? Ich finde am 5. Dezember ist es dafür etwas zu früh. Ein Grund, weshalb ich gestern Abend auch keine Lust hatte, den Jahresrückblick auf RTL zu schauen. Immerhin kommen noch knapp vier Wochen und viele große Ereignisse der Weltgeschichte fanden im Dezember statt. Und die übernächste Fußballweltmeisterschaft endet im Dezember. Ob der RTL-Jahresrückblick dann auch am 4. Dezember läuft? Im Jahr 2022 das Datum für den 2. Advent, wie dieses Jahr. Vorm Schreiben dieser Kolumne hörte ich beim Durchzappen im Radio das Lied „36 Grad“ der Band „2raumwohnung“. Für dieses Lied ist zwar vielleicht auch nicht gerade Saison, aber in diesem Fall ist das gar nicht so schlecht, vielleicht bekommen Hörer mit dem Song warme Erinnerungen. Oder man denkt sich die Temperatur in Fahrenheit statt in Celsius und es stimmt wieder.
Sich erinnern kann man aber auf jeden Fall an die Bundespräsidentenwahl in Österreich. Da scheint die Entscheidung gefallen zu sein – vorausgesetzt, bei den Wahlkarten gibt es keine große Überraschung. Überraschend war für viele der Ausgang der Präsidentenwahl in den USA. Weniger hingegen, dass die Meinungen im Volk gespalten sind, in Österreich, in den USA, in anderen Ländern. Woran liegt das? Kandidaten wie Clinton und Van Der Bellen werden von den sogenannten „Eliten“ unterstützt. Offenbar wollen sich viele von diesen Eliten nichts vorschreiben lassen. Zurecht! Im deutschen Bundestag hat nur knapp jeder zehnte Abgeordnete nicht studiert. In der Bevölkerung ist der Akademikeranteil um einiges geringer. Ich finde es verständlich, wenn sich manche Menschen von ihren Volksvertretern nur wenig vertreten fühlen, weil sie selbst keinen Studienabschluss haben. Mein Vorschlag an die Parteien: Mehr um die Menschen werben, die außer einen Studienabschluss alles haben: Berufsausbildung, Lebenserfahrung, Engagement. Wir brauchen nicht nur mehr Frauen, sondern auch wieder mehr Arbeiter in den Parlamenten.
Dasselbe gilt für den Journalismus! Auch der zählt für einige zur „Elite“. Immerhin sprach sich eine Mehrheit der US-amerikanischen Zeitungen gegen Trump aus. Den Wählern war das egal. Vorschläge: Journalisten sollten ihren Beruf erklären, mehr auf Kritik eingehen, in die Diskussion gehen (und nicht sogar Diskussionssendungen einstellen) und vor allem mehr Menschen die Chance geben, das journalistische Handwerk zu lernen. Wer die journalistische Ausbildung, das Volontariat machen möchte, sollte heutzutage schon einige Erfahrung haben. Aber oft ist auch ein Abitur oder ein Studium Voraussetzung. Natürlich ist das für immer weniger eine Hürde, aber gerade bei den Menschen ohne Abitur sind die Dagegen-Parteien erfolgreich! Hauptschulabgänger sind nicht dumm! Leute ohne Schulabschluss auch nicht, wie die Bundeswehr erkannt hat.
Also, liebe Parteien, liebe Redaktionen: Bitte mehr um Nicht-Akademiker, mehr um Nicht-Abiturienten werben! So sind die Meinungen in Parlament und Medien vielleicht bald wieder so verteilt wie in der Bevölkerung. Eine Chance, etwas gegen Politikverdrossenheit, gegen eine Medien-Vertrauenskrise und gegen Populisten zu tun. Wenn ich ehrlich bin: Ich studiere hauptsächlich, weil es die meisten Journalisten getan haben. Gäbe es den Ausbildungsberuf „Journalistin“, wie im Handwerk mit Theorie in der Berufsschule in der Region – ich hätte diesen Weg gewählt. So studiere ich und eigne mir den Journalismus nebenbei an. Kostet zwar extra, aber Bildung ist ja selten kostenlos. Umso schöner, wenn es kostenlosen Gitarrenunterricht für Kinder in Südafrika gibt. Die schönste Nachricht, die ich am vergangenen Wochenende auf tagesschau.de finden konnte.
Hoffentlich gibt´s in dieser Woche noch mehr gute Meldungen. Wenn ja, dann schreibe ich es in diese neue, tägliche Kolumne.