Musik sind Erinnerungen. Songs erinnern an schönes, weniger schönes, skurriles, lustiges. Deshalb höre ich immer wieder gerne rein in eine Playlist mit Songs, die mich zurück in die Vergangenheit tragen. Wie eine Zeitmaschine zeigen mir die Lieder noch einmal interessante Erlebnisse. Nicht die schönsten, nicht die interessantesten, aber die, die klar mit dem jeweiligen Song verbunden sind. Auch in der Playlist: Zwei Songs von Rihanna. Kürzlich fiel mir ein dritter Song vom Rihanna ein. 2006, vielleicht auch 2007, da muss es gewesen sein. „Unfaithful“ heißt der Hit, der damals bekannt war, nicht zuletzt, weil er in der Hot Rotation vieler Stationen zu finden war. Ein trauriger Song, nicht mein Musikgeschmack. Mitschülern von damals gefiel der Song aber so gut, dass sie den sogar von CD abspielten, gerne auch in Dauerschleife: Sobald der nächste Song startete, ging einer ans Gerät und drückte „zurück“. Später schaltete dann ein anderer von CD auf UKW um, wahrscheinlich um beispielsweise den Lieblingsmoderator zu hören. Dies war möglich, weil das kein reiner CD-Player war, sondern auch UKW und Mittelwelle empfangen konnte. Aber im laufenden Radioprogramm dauerte es auch nur 20 Minuten, bis der Song ebenfalls zu hören war. Aber: Immerhin schaltete jemand auf Radio um! Und diese Person war nicht ich! Damals zumindest gab es also Jugendliche, die Radio einschalteten, selbst, wenn doch die Lieblings-CD griffbereit war! Welche Gründe kann es dafür geben? Radio lässt einen nichr allein, vom Frühstück bis zur Naturkatastrophe leicht empfangbar, kluge Musikmoderationen, bei denen man spannende Details erfahren kann, topaktuelle Infos obendrein.
Genauso kann ich mich noch daran erinnern, wie eine Mitschülerin UKW-Frequenzen an die Tafel schrieb! Oder auch, wie Mitschüler über bestimmte Radioaktionen sprachen. Naja gut, das letzte kann auch sein, weil ich denen davon erzählte, aber die ersten zwei Geschehnisse sind nicht durch mich ausgelöst! Besteht also noch Hoffnung, dass das Radio auch von jungen Leuten gehört wird? Ja? Hören die nicht sowieso alle Musik auf ihrem Smartphone und lesen die Nachrichten über News-Apps oder vermehrt über Social Media? Ich sehe in Zug und Bus vermehrt Kinder und Jugendliche mit Smartphone in der Hand und oft dazu mit Kopfhörer im Ohr. Als ich so alt war wie manche von denen mit Smartphone, war das „I-Phone“ noch nicht erfunden! Und das ist auch vielleicht der Grund, warum meine Generation noch das Radio kennen und schätzen gelernt hat: Diese modernen Geräte gab es einfach noch nicht, schon gar nicht mit Millionen kostenloser Songs im Streaming! Musik gab’s auf CD und – wenn das Taschengeld aus war und man dennoch neue Musik kennenlernen wollte – im Radio! Klar gab’s Musikfernsehen, aber nicht alle hatten ein TV-Gerät im Zimmer! Also blieb den Leuten, die Anfang bis Mitte der 90er geboren wurden, meist nichts anderes übrig als Radiohören, um den Musikhorizont zu erweitern! Das Radio war das Tor zur Musikwelt und kann es heute noch sein!
Daher kann ich zumindest für meine Generation sagen: Es besteht noch Hoffnung! Denn Leute meiner Generation können noch ans Radio herangeführt werden, auch, wenn sie nicht sehr begeistert davon sind: Als auf DKultur noch der Hörertalk „2254“ funkte, hörten auch gerne Mitschüler zu, wenn ich vorher ankündigte, dass ich versuchen würde dort durchzukommen. Vor noch ungefähr drei Jahren lief auf der Geburtstagsfeier einer Freundin „1LiveDiggi“; dieselbe hat dafür gesorgt, dass gut acht Monate zuvor unser damaliger Englischkurs auf „SWR1“ zu hören war!
Die heute Anfang-20-jährigen können also denke ich noch zum Radio hingeführt werden, denn sie kennen es. Ein Teil hört es beim Autofahren (ein wohl größerer Teil hört da aber auch nur noch CD), ein Teil zur Hintergrundberieselung bei allen möglichen Tätigkeiten. Aber manche treffen zu Radio Aussagen wie: „Kommt nicht meine Musik“, „Musik? Hab doch ein Streamingabo“, „Infos? Schau mal, ich hab da so eine tolle App…“, „Hörfunkmagazine? Hab ich keine Zeit …“ Die Frage ist also: Wie bekommen wir Radio wieder so hin, dass es attraktiv ist, trotz Streaming und Apps?
Bei den heutigen Jugendlichen wird es schwierig, die zum Radio zu bringen. Schließlich haben manche schon seit mehrere Jahren ein Smartphone. Wozu also Radio? Der WDR „Kiraka“ ist ja nichtmal bundesweit zu empfangen. Und wie viele schalten danach das Jugendprogramm der ARD ein, wenn sie das Radio nicht richtig kennengelernt haben? Wird also mit meiner Generation auch das Radio sterben?